Beweg- und Hintergründe

Eines der Hauptprobleme von  NMR (Kernspinresonanz)-Spektroskopie ist ihre relative niedrige Sensitivität, welche lange Messzeiten (oft über mehrere Stunden oder sogar Tage hinweg) und/ oder eine relativ große Menge (von mg zu g) an Probe erfordert.  Bisher war über viele Experimente hinweg, nicht klar, ob durch bessere Pulssequenzen eine  Sensitivitätserhöhung erreicht werden kann oder ob es theoretische Grenzen gibt, die die Effizienz des Experiments einschränken.

Man nehme z. B. ein Experiment zur Messung heteronuklearer NOEs (Kern-Overhauser-Effekt) zwischen Proton (1H) und Karbon (13C) Spins I und S (Nirmala & Wagner,1988; Kay et al., 1989; Palmer et al., 1991; Sattler et al., 1995). Die Sensivität des Experiments ist proportional zur Effizienz jedes einzelnen Bausteins der Pulssequenz. Man betrachte z. B. den gelben Baustein, der für die Übertragung der In-Phasenkohärenz S- von z. B. einem 13C Kernspin zur In-Phasekohärenz F- eines beigefügten 1H Kernspins verantwortlich ist. Für I2S und I3S Spinsyteme (die jeweils CH2 oder CH3 Gruppierungen entsprechen) war die oberste Grenz für diese Übertragungseffizienz nicht bekannt. 

In I3S Spinsystemen wurde die Übertragungseffizienz |f| zwischen S- und F- über die Jahre wesentlich verändert, indem man neue Techniken, wie HEHAHA (Hartmann, Hahn 1962), den refokusierte INEPT (Burum, Ernst 1980),  HIHAHA (Sattler et al. (1995), Glaser, Quant 1996) und yxz-ICOS-CT (Sattler et al. 1995) angewendet hat. Dennoch war nicht klar, welche weiteren Verbesserungen noch erreicht werden können, wenn man noch ausgeklügeltere Techniken entwickelt, da die theoretische Obergrenze für diese Übertragung nicht bekannt war. 

Diese Situation ist vergleichbar mit der Weiterentwicklung eines Hochsprungrekords: Bessere Trainingsmethoden und auch neue Techniken - wie die Western Rolle, die Osborn Rolle, der Wälzsprung oder der Fosbory-Flop (eingeführt während der Olympischen Spiele 1968)  - haben zu bedeutenden Verbesserungen geführt. Dennoch ist nicht sicher, ob das "biomechanische" Optimum erreicht wurde oder ob der Weltrekord durch eine revolutionäre, neue Sprungtechnik noch gesteigert werden kann. 

Auf dem Gebiet von NMR sind wir nun in der Lage eine maximal mögliche Effizienz unitärer Transformationen zwischen beliebigen Anfangs- und Endzuständen festzulegen. Dies wurde durch eine Prozedur möglich, die die theoretischen Obergrenzen als auch die optimalen unitären Transformationen, die diese Grenze erreichen, ergibt. (Science 280, S. 421-424 (1998)).

Zum Beispiel haben wir für den Transfer von S- zu F- in I3S Kernspinsystemen die theoretische Grenze auf 0.79 ermittelt. Dabei wurde klar, dass es noch einen deutlichen Verbesserungsbedarf gab. Tatsächlich waren wir danach in der Lage neue Pulssequenzen zu entwickeln, welche diese theoretische Grenze wirklich erreichen (T. Untidt, T. Schulte-Herbrüggen, B. Luy, S. J. Glaser, C. Griesinger, O. W. Sørensen, N. C. Nielsen, Mol. Phys., 95, 787-796, 1998).

Leider (oder vielleicht zum Glück), können wir noch kein oberes theoretisches Limit für diese Diziplin festlegen...